Angst vor einen Impfschaden?

Mögliche negative Wirkungen bei Impfungen

Nicht erst seit Corona besteht Angst vor neuen und alten Impfstoffen und den möglichen Schäden infolge der Impfung. Je kürzer die Entwicklung, Erprobung und Erfahrung mit neuen Impfstoffen ist, umso ungewisser ist, ob kurz-, mittel- oder langfristig auch negative Wirkungen dieser Impfstoffe bestehen.

Empfehlung zur Impfung

Auf der anderen Seite kann man sich gegen verschiedene und zugleich schwere Erkrankungen häufig nur durch eine Impfung schützen. Insbesondere für Menschen mit hohen Risikomerkmalen (Vorerkrankungen, Alter, Kontakt mit Kranken, …) dürfte eine Impfung trotz der bestehenden Restrisiken der Impfstoffe empfehlenswert sein.

Rechtsstreite beim Impfschaden

Sollte dennoch eine Schädigung durch die Impfung eintreten, dann können u.a. nachfolgende Auseinandersetzungen notwendig werden:

  • Schadensersatz gegen den Hersteller
  • Staatliche Impfentschädigung
  • Anerkennung eines Grades der Behinderung
  • Durchsetzung einer Rente wegen Erwerbsminderung
  • Kündigungsschutzverfahren gegen Arbeitgeber

Kosten

Diese möglichen Auseinandersetzungen vor den Zivilgerichten und Sozialgerichten, bei Impfschäden häufig über mehrere Instanzen, sind mit erheblichen Kosten für die Betroffenen verbunden. Dies in einer Situation, in welcher aufgrund der Schädigung das Einkommen weggebrochen ist.

Eintritt der Rechtsschutzversicherung

Rechtschutzversicherungen treten erst ein, wenn der Versicherungsvertrag wenigstens drei Monate vor der Schädigung (hier: Tag der Impfung) abgeschlossen wurde. Wer sich nicht nur gegen die Krankheit mit der Impfung schützen möchte, sondern auch für mögliche Auseinandersetzungen infolge von negativen Wirkungen der Impfung absichern möchte, dem ist der rechtzeitige Abschluss einer entsprechenden Rechtsschutzversicherung empfehlenswert.

Rechtsanwalt Gerd Klier, Neuruppin

Fachanwalt für Medizinrecht, Sozialrecht und Arbeitsrecht

Pflegeheim muss Bewohner vor Gefahren schützen, die die Bewohner selbst nicht beherrschen

Pflegeheim – Haftung im Rahmen der Betreuung und Pflege

So hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 22.08.2019 zum Aktenzeichen III ZR 113/18 entschieden. Diese Entscheidung zeigt, dass die Gerichte sich nicht nur zunehmend mit der Haftung von Ärzten und Krankenhäusern, sondern auch der Haftung im Rahmen der Betreuung und Pflege auseinandersetzen müssen.

Schmerzensgeld durch Heimträger

Vorliegend ging es um Schmerzensgeld für eine Bewohnerin in einem Wohnheim für geistig behinderte Menschen. Die Bewohner müssen vor Verbrühungen durch zu heißes Wasser beim Baden geschützt werden, wenn diese der Gefahr aufgrund ihrer Einschränkung nicht angemessen begegnen können. Wegen mangelnder Aufsicht zog sich der Heimbewohner an beiden Füßen und den Unterschenkeln schwerste Verbrühungen zu.

Pflegeheim muss Bewohner vor Gefahren schützen

Bei der nachfolgenden Heilbehandlung im Krankenhaus wurden mehrere Hauttransplantationen durchgeführt. Es kam zu erheblichen Komplikationen. Unter anderem wurde die Klägerin mit einem multiresistenten Keim infiziert. Sie ist inzwischen nicht mehr gehfähig und auf einen Rollstuhl angewiesen, weil sich so genannte Spitzfüße gebildet haben. Außerdem verschlechterte sich ihr psychischer Zustand, was sich unter anderem in häufigen und anhaltenden Schreianfällen äußert.  Der BGH stellte klar, der Heimbetreiber muss Bewohner vor Gefahren schützen. Der Heimbetreiber habe die Pflicht, unter Wahrung der Würde und des Selbstbestimmungsrechts der ihm anvertrauten Bewohner diese vor Gefahren zu schützen, die sie nicht beherrschen.

Demente Patientin springt aus Fenster – Krankenhaus haftet

Ein Krankenhaus kann gegenüber einer dementen Patientin zum Ersatz des Schadens verpflichtet sein, den die Patientin erleidet, weil sie aus dem ungesicherten Fenster ihres Krankenzimmers entweichen will und dabei in die Tiefe stürzt. Das hat das Oberlandesgericht Hamm mit rechtskräftigen Urteil vom 17.01.2017 zum Aktenzeichen 26 U 30/16 entschieden.

Krankenversicherung klagte gegen Krankenhaus

Die klagende Krankenversicherung verlangte von der beklagten Trägerin eines Krankenhauses die Erstattung von Kosten, die sie für die verstorbene Patientin aufgewandt hat.

Patientin war dement

Die demente Patientin wurde aufgrund eines Schwächeanfalls stationär in das Krankenhaus der Beklagten eingewiesen. Bereits am Aufnahmetag gab die Patientin sich unruhig, aggressiv, verwirrt und desorientiert. Insbesondere zeigte sie Weglauftendenzen und wollte die Station verlassen. Die Patientin konnte mit Neuroleptika nicht ruhig gestellt werden. Um das Weglaufen zu hindern, verstellten Krankenschwestern der Beklagten die Tür des Krankenzimmers der Patientin von außen mit einem Krankenbett.

Krankenkasse forderte 93.300 Euro

Am dritten Behandlungstag kletterte die Patientin unbemerkt aus dem Zimmerfenster und stürzte auf ein circa fünf Meter tiefer liegendes Vordach. Sie erlitt erhebliche Verletzungen woran sie später verstarb. Für die unfallbedingte Heilbehandlung und ein Krankenhaustagegeld wandte die Klägerin circa 93.300 Euro auf. Diese verlangte die Krankenkasse wegen unzureichende Sicherungsmaßnahmen ersetzt.

Berufungsgericht bestätigt Verletzung der Verkehrssicherungspflicht

Dem ist das Gericht gefolgt. Die Beklagte habe gegen ihre vertraglichen Fürsorgepflichten und gegen die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verstoßen. Die Beklagte hatte die Patientin im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren, soweit der körperliche und geistige Zustand der Patientin dies erfordert habe, vor Schäden und Gefahren schützen müssen. Dieser Verpflichtung sei die Beklagte nicht gerecht geworden. Ausweislich der Dokumentation der Beklagten sei das Verhalten der Patientin auch am Unfalltag unberechenbar gewesen. Sie habe auch an dem Tag aus dem Zimmer flüchten wollen.

Fenster hätte gesichert werden müssen

Die Beklagte hätte beim vorliegenden Krankheitsbild das Öffnen dieses Fensters durch die Patientin verhindern oder diese in ein ebenerdig gelegenes Krankenzimmer verlegen müssen. Die notwendigen Vorkehrungen gegen ein Hinaussteigen der Patientin aus dem Fenster des Krankenzimmers seien der Beklagten möglich und zumutbar gewesen. Das pflichtwidrige Unterlassen dieser Maßnahme begründe die Haftung des Krankenhauses.

Patientenverfügung, BGH zu den Voraussetzungen einer für den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen bindenden Patientenverfügung

Wie bestimmt muss eine Patientenverfügung sein? Was hat der BGH entschieden?

Bereits mit Beschluss vom 08. Februar 2017 zum Aktenzeichen XII ZB 604/15 hat der BGH zu den Voraussetzungen der Bindung an eine Patientenverfügung entschieden. Nach den Presseartikeln hierzu ist es zu viel Verunsicherung bei Menschen mit bereits erstellten Patientenverfügungen gekommen. Nunmehr hat der BGH am 24. März 2017 mit seiner Pressemitteilung Nr. 40/2017 für etwas mehr Klarheit gesorgt, welche Grundlage für die nachfolgende Ausführungen ist. Zugleich wurde das 21 Seiten umfassende Urteil veröffentlicht.

Welcher Erkrankung hatte die Betroffene?

Die 1940 geborene Betroffene erlitt im Mai 2008 einen Schlaganfall. Seit einem hypoxisch bedingten Herz-Kreislaufstillstand im Juni 2008 befindet sie sich in einem wachkomatösen Zustand. Die Betroffene wird seit diesem Zeitpunkt über eine Magensonde künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt.

Was stand in der Patientenverfügung?

1998 hatte die Betroffene ein mit „Patientenverfügung“ betiteltes Schriftstück unterschrieben. Dort hatte sie niedergelegt, dass „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollten. Dies sollte jedoch nicht in jedem Fall gelten. Unter anderem dann sollte es gelten, wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht. Es sollte auch dann gelten, wenn aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe.

Wie hat sich die Betroffene bereits früher geäußert?

Bereits früher hat sich die Betroffen bezüglich des Wachkommas geäußert. Diese Äußerungen tätigte sie zu nicht genauer festgestellter Zeit zwischen 1998 und ihrem Schlaganfall. Gegenüber verschiedenen Familienangehörigen und Bekannten hat sie sich angesichts zweier Wachkoma-Patienten aus ihrem persönlichen Umfeld mehrfach geäußert. Die Betroffene wolle selbst nicht künstlich ernährt werden. Sie wolle nicht so am Leben erhalten werden. Die Betroffene wolle nicht so daliegen, lieber sterbe sie. Sie äußerte zudem, sie habe auch durch eine Patientenverfügung vorgesorgt, das könne ihr somit nicht passieren.

Welche Äußerungen gab es von der Betroffenen nach ihrem eigenen Schlaganfall?

Die Betroffen hielt im Juni 2008 in der Zeit zwischen dem Schlaganfall und dem späteren Herz-Kreislaufstillstand einmalig die Möglichkeit, trotz Trachealkanüle zu sprechen. Hier sagte sie gegenüber ihrer Therapeutin: „Ich möchte sterben.“

Wie war die Betreuung geregelt?

Der Sohn regte 2012 unter Vorlage der Patientenverfügung von 1998 an, ihr einen Betreuer zu bestellen. Sowohl der Sohn, wie auch der Ehemann der Betroffenen wurden durch das Amtsgericht jeweils zu alleinvertretungsberechtigten Betreuern bestimmt.

Unterschiedliche Ansichten von Sohn und Ehmann!

Der Sohn der Betroffenen war im Einvernehmen mit dem bis dahin behandelnden Arzt. Seit 2014 waren Beide der Meinung, die künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr solle eingestellt werden. Dies würde dem in der Patientenverfügung niedergelegten Willen der Betroffenen entsprechen. Ihr Ehemann lehnt dies jedoch ab.

Wie liefen die Gerichtsverfahren.

Amtsgericht

Das Amtsgericht hat den Antrag der durch ihren Sohn vertretenen Betroffenen auf Genehmigung der Einstellung der künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr abgelehnt.

Landgericht

Das Landgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen.

Bundesgerichtshof (BGH)

Auf die Rechtsbeschwerden der Betroffenen und ihres Sohnes hat der Bundesgerichtshof die angefochtene Entscheidung aufgehoben und das Verfahren an das Landgericht zurückverwiesen.

Rechtliche Bewertung durch den BGH

Der vom Sohn der Betroffenen beabsichtigte Widerruf der Einwilligung in die mit Hilfe einer PEG-Magensonde ermöglichten künstlichen Ernährung nach § 1904 Abs. 2 BGB bedarf grundsätzlich der betreuungsgerichtlichen Genehmigung. Dies dann, wenn durch den Abbruch der Maßnahme die Gefahr des Todes droht.

Es ist jedoch eine betreuungsgerichtliche Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB dann nicht erforderlich, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer bindenden Patientenverfügung nach § 1901 a Abs. 1 BGB niedergelegt hat.

Diese Patientenverfügung muss auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutreffen.

Eine schriftliche Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB entfaltet aber nur dann unmittelbare Bindungswirkung, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, bei Abfassung der Patientenverfügung noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können.

Anforderungen an Bestimmtheit nicht überspannen!

Dabei dürfen die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung aber auch nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht.

Zur erforderlichen Bestimmtheit der Patientenverfügung hatte der Bundesgerichtshof bereits in seinem Beschluss vom 6. Juli 2016 (XII ZB 61/16) entschieden. Die Äußerung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen für sich genommen enthält nach dem BGH keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung.

Jedoch kann die erforderliche Konkretisierung aber gegebenenfalls durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen kann. So damals der BGH.

Konkretisierung der Rechtsprechung

Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof nun noch weiter präzisiert. Die erforderliche Konkretisierung im Einzelfall auch bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen vorliegen kann. Sie sich durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben kann. Im konkreten Einzelfall ist dann durch Auslegung der in der Patientenverfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln, ob eine hinreichende Konkretisierung vorliegt.

Warum hat der BGH die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und zurückverwiesen?

Das Beschwerdegericht hatte sich nicht ausreichend mit der Frage befasst hat, ob sich der von der Betroffenen errichteten Patientenverfügung eine wirksame Einwilligung in den Abbruch der künstlichen Ernährung und Flüssigkeitsversorgung entnehmen lässt. Denn die Betroffene hat in der Patientenverfügung ihren Willen zu der Behandlungssituation u. a. an die medizinisch eindeutige Voraussetzung geknüpft, dass bei ihr keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht.

Zudem hat die Betroffene die ärztlichen Maßnahmen, die sie u.a. in diesem Fall wünscht oder ablehnt, durch die Angabe näher konkretisiert, dass Behandlung und Pflege auf Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein sollen, selbst wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist.

Auslegung der Patientenverfügung und Feststellung konkrete Gesundheitszustand

Diese Festlegungen in der Patientenverfügung könnten dahingehend auszulegen sein, dass die Betroffene im Falle eines aus medizinischer Sicht irreversiblen Bewusstseinsverlusts wirksam in den Abbruch der künstlichen Ernährung eingewilligt hat. Jedoch hat das Beschwerdegericht bisher nicht festgestellt, ob der derzeitige Gesundheitszustand der Betroffenen im Wachkoma auf diese konkret bezeichnete Behandlungssituation zutrifft. Der BGH selbst kann aus rechtlichen Gründen keine Sachverhaltsermittlungen vornehmen. Daher müsse das Beschwerdegericht diese Ermittlung nachholen.

Weitere Prüfung des mutmaßlichen Willens

Der BGH hat zudem klargestellt, dass womöglich der mutmaßliche Wille der Betroffenen zu ermitteln sein wird. Nämlich dann, wenn das Beschwerdegericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der derzeitige Gesundheitszustand der Betroffenen nicht den Festlegungen der Patientenverfügung entspricht. Dann ist zu prüfen, ob ein Abbruch der künstlichen Ernährung dem mutmaßlichen Willen der Betroffenen entspricht. Dieser mutmaßliche Wille ist anhand konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Hier sind insbesondere früherer mündlicher oder schriftlicher Äußerungen heranzuziehen. Aber auch ethische oder religiöse Überzeugungen oder sonstiger persönlicher Wertvorstellungen der Betroffenen. Entscheidend ist dabei immer die Frage, wie die Betroffene selbst entschieden hätte, wenn sie noch in der Lage wäre, über sich selbst zu bestimmen.

Patientenakte ist vollständig herauszugeben

Der Anspruch auf Herausgabe der Patientenakte in Kopie ist nur erfüllt, wenn der Arzt sämtliche Unterlagen in lesbarer Kopie gegen Kostenerstattung zur Verfügung stellt. Ein Zurückbehaltungsrecht an den Unterlagen wegen einer noch offenen Behandlungsrechnung besteht nicht.

Die Klägerin war eine Krankenkasse. Die bei ihr versicherte Patientin war bei der beklagten Zahnärztin in Zahnbehandlung. Die versicherte Patientin gab nach der Behandlung gegenüber ihrer Kasse an, dass die Zahnärztin eine Behandlung an ihr vorgenommen habe, die nicht besprochen war und dabei eine Krone zerstört worden sein soll. Sie leide an Schmerzen und einem bitteren Geschmack im Mund. Die Patientin entband die Zahnärztin von ihrer Schweigepflicht und erklärte sich mit der Herausgabe der Patientenakte an ihre Krankenversicherung einverstanden. Die Krankenversicherung forderte die Patientenakte (Krankenunterlagen) der bei ihr versicherten Patientin bei der Zahnärztin an. Diese reagierte nicht, dass eine Klage gegen die Zahnärztin auf Herausgabe der Krankenunterlagen in Kopie gegen Erstattung der Kopierkosten notwendig wurde. Erst dann legte die Zahnärztin einen Teil der Krankenunterlagen vor, wobei die Kopien der Röntgenaufnahmen nicht auswertbar waren wegen ihrer schlechten Qualität. In der Verhandlung vor dem Amtsgericht übergab die Zahnärztin den elektronischen Karteikartenausdruck über die Behandlung der Patientin und erklärte, dass in ihren Praxisräumen das Original der Röntgenaufnahmen angesehen werden könne. Die Zahnärztin machte ein Zurückbehaltungsrecht an den Unterlagen geltend, da die Rechnung für die Behandlung noch nicht bezahlt sei.

Das Gericht gab der Klage Recht. Die Krankenkasse könne verlangen, dass die Zahnärztin gegen Kostenerstattung Kopien von den kompletten Patientenunterlagen fertigt und an die Versicherung herausgibt. Der Patient habe Anspruch auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen hat, ohne dass er dazu ein besonderes Interesse darlegen müsse. Dieser Anspruch sei auf die Versicherung übergegangen wegen eines möglicherweise bestehenden Anspruchs auf Schadensersatz wegen fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung.

Der Anspruch bestehe auch in vollem Umfang fort, obwohl die Zahnärztin einen Teil der Unterlagen im Prozess vorgelegt habe. Denn jedenfalls zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht hätten keine lesbaren Kopien der Röntgenunterlagen vorgelegen. Durch die Vorlage der übrigen Patientenunterlagen sei keine Erfüllung eingetreten, da der Anspruch auf Einsichtnahme in die Patientenunterlagen als einheitlicher Anspruch erst dann erfüllt sei, wenn die Einsicht in die vollständigen Patientenunterlagen gewährt wurde. Es sei auch keine teilweise Erfüllung eingetreten, da der Anspruch auf Einsichtnahme in die Patientenakten einheitlich und nicht teilbar sei.

Die Zahnärztin habe auch nicht das Recht, die Unterlagen zurück zu behalten, da die Behandlungsrechnung nicht bezahlt wurde. Der Anspruch auf Einsichtnahme in die Patientenunterlagen solle gerade die Feststellung eines möglichen Behandlungsfehlers ermöglichen, aufgrund dessen die Zahlung der Rechnung durch die Versicherte oder die Klägerin verweigert werde. Dies würde konterkariert, könnte dem Anspruch auf Einsichtnahme in die Krankenunterlagen ein Zurückbehaltungsrecht entgegengehalten werden.

Urteil Amtsgericht München vom 06.03.2015 zum Aktenzeichen 243 C 18009/14

Fundstelle: beck-aktuell

Behandlungsfehler Speiseröhrenverletzung

Schmerzensgeld von 20.000 Euro nach Behandlungsfehler Speiseröhrenverletzung

Wird die Speiseröhre im Verlauf einer Operation trotz fachgerechten ärztlichen Vorgehens verletzt, ist dies dann als Behandlungsfehler zu werten, wenn die Verletzung durch eine ärztliche Überprüfung der Lage der Speiseröhre während der Operation zu vermeiden war. Vorliegend wurde ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 Euro zugesprochen.

Der Patient hatte sich vom beklagten Facharzt für Neuro- und Wirbelsäulenchirurgie im Bereich der Halswirbelsäule an der Bandscheibe operieren lassen. Bei dem Eingriff mit Cage-Fusion und Prothesenimplantation kam es zur Verletzung der Speiseröhre, die mit einem weiteren Eingriff als Notfall operativ versorgt werden musste.

Der Patient musste etwa fünf Monate mittels einer Magensonde ernährt werden. Es bleiben Schluckbeschwerden, durch die der Patient voraussichtlich dauerhaft beeinträchtigt sein wird. Das Gericht hat in Übereinstimmung mit dem medizinischen Sachverständigen den Fehler als einfachen Behandlungsfehler gewertet. Die vom Kläger erlittenen Beeinträchtigungen, die nachweisbar auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen seien, rechtfertigten ein Schmerzensgeld von 20.000 Euro.

Das OLG räumt zwar ein, dass bei derartigen Bandscheibenoperationen die Speiseröhre auch bei einem regelgerechten ärztlichen Vorgehen verletzt werden könne. Der Beklagte habe die Speiseröhre aber behandlungsfehlerhaft verletzt, weil er ihre Lage während der Bandscheibenoperation nicht hinreichend überprüft habe. Hätte er ihre Lage vor der Präparation mittels Schere überprüft, wäre die Verletzung zu vermeiden gewesen. Nach den Angaben des Sachverständigen sei diese Überprüfung deswegen medizinisch geboten gewesen. Ausgehend hiervon stelle das Unterlassen der Kontrolle, die eine ansonsten auch bei sorgfältigem Vorgehen durchaus mögliche Schädigung des Patienten verhindert hätte, auch juristisch ein Behandlungsfehler dar, so das OLG Hamm in seinem Urteil vom 23.10.2015 zum Aktenzeichen 26 U 182/13.

Fundstelle: BeckRS 2015, 19510

Einwilligung beider Eltern in Operation erforderlich

Vertrauen des Arztes in die Einwilligung des abwesenden Elternteils bei einer Operation

Das OLG Hamm hat sich im Urteil vom 29.09.2015 zum Aktenzeichen 26 U 1/15 mit der erforderlichen Einwilligung beider Elternteile bei einem ärztlichen Eingriff auseinandergesetzt. Zusammenfassend wurde ausgeurteilt, dass ein Arzt bei einfachen bis mittel schweren Eingriffen darauf vertrauen darf, dass der sorgeberechtigte Elternteil den erschienenen Elternteil zur Einwilligung in den ärztlichen Eingriff ermächtigt hat. Das Gericht legt eine so genannte drei Stufen Lehre zugrunde.

  1. In Routinefällen darf der Arzt bis zum Vorliegen entsprechend entgegenstehender Umstände davon ausgehen, dass der mit dem Kind bei ihnen erscheinende Elternteil die Einwilligung in die ärztliche Behandlung für den anderen Elternteil miterteilen darf.
  2. Bei ärztlichen Eingriffen schwerer Art mit nicht unbedeutenden Risiken muss sich der Arzt vergewissern, ob der erschienene Elternteil die Ermächtigung des anderen Elternteils habe. Sofern ihm mitgeteilt wird, dass der nicht erschienene Elternteil einverstanden ist, kann der Arzt von der wahrheitsgemäßen Auskunft ausgehen.
  3. Bei schwierigen und weitreichenden Entscheidungen über die Behandlung des Kindes, die mit erheblichen Risiken verbunden sind, muss auch die Einwilligung des abwesenden Elternteils vorliegen, der behandelnde Arzt muss sich vergewissern, dass das nicht erschienene Elternteil mit der Behandlung einverstanden ist.

Jeder medizinische Eingriff ist mit Risiken verbunden. Wenn sich eines dieser Risiken verwirklicht und keine wirksame Einwilligung vorlag, ist aufgrund der dann vorliegenden rechtswidrigen Körperverletzung der Arzt regelmäßig in der Haftung und muss über seine Berufshaftpflichtversicherung Schadensersatz leisten, der erheblich sein kann. Daher verlangen die Ärzte zunehmend pflichtgemäß den Nachweis der Einwilligung beider sorgeberechtigter Eltern. Sofern nur ein Elternteil den Arzttermin wahrnehmen kann, empfiehlt es sich, diesem die schriftliche Einwilligung des anderen Elternteils mitzugeben. So wird das Risiko der Nichtbehandlung mangels Vorlage des Einverständnisses beider Elternteile vermieden.

Schäden durch Medizinprodukte und Arzneimittel

Im Bereich der Arzneimittelhaftung und der Medizinproduktehaftung hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Bedingungen für eine Prozessführung in den letzten Jahren Immer mehr zugunsten des Geschädigten erleichtert.

1. Produktfehler schon bei Zugehörigkeit zu fehlerhafter Produktserie

Eine ganze Vielzahl entsprechender Produkte betreffend, hat der BGH die mit Spannung erwartete Entscheidung des EuGH zum Fehlerbegriff nun in seine nationale Rechtsprechung übertragen, wonach schon das Risiko einer Fehlfunktion wegen Zugehörigkeit zu einer fehlerhaften Produktserie Schadensersatzansprüche auslöst.

Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin regressiert als gesetzliche Krankenversicherung Kosten für den Austausch zweier Herzschrittmacher gegen seitens des Herstellers kostenlos zur Verfügung gestellte Austauschgeräte. Hintergrund dessen waren „dringende Sicherheitsinformationen“ des Herstellers, wonach die hermetische Versiegelung der Geräte möglicherweise einem sukzessiven Verfall mit vorzeitigem Funktionsverlust unterläge. Mit bis zu 0,88 % lag das Fehlerrisiko bis zu 20-fach höher als das reguläre Fehlerrisiko.

Die ausgetauschten Geräte waren im Zuge der Operationen entsorgt worden, weshalb sie als Beweismaterial für den Prozess nicht mehr zur Verfügung standen. Soweit § 3 ProdHG einen Fehler dahingehend definiert, dass ein Produkt „nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände […] berechtigterweise erwartet werden kann“, kam eine Haftung mithin lediglich für den Fall in Betracht, dass bereits die Zugehörigkeit zu einer erhöht fehleranfälligen Serie aus einem fehlerfreien ein fehlerhaftes Produkt macht. Das haben EuGH und in der Folge auch BGH nun bejaht.

Der EuGH hat wie folgt entschieden:

Der EuGH verweist zur Auslegung der maßgeblichen Ril. 85/374 zunächst auf deren 6. Erwägungsgrund, wonach die Frage der berechtigten Sicherheitserwartung anhand der berechtigten Erwartungen der Allgemeinheit vorzunehmen sei (nicht der Ärzteschaft oder spezialisierter  Techniker). Bei den hier relevanten Herzschrittmachern bzw. Defibrillatoren seien die Anforderungen an ihre Sicherheit, die die Patienten zu erwarten berechtigt sind, in Anbetracht ihrer Funktion und der Situation besonderer Verletzlichkeit der diese Geräte nutzenden Patienten zudem aber auch besonders hoch. Außerdem bestehe der potenzielle Mangel an Sicherheit hier in der anormalen Potenzialität eines Personenschadens, der durch sie verursacht werden kann. Daher könnten im Fall der Feststellung eines potenziellen Fehlers solcher Produkte derselben Produktgruppe oder Produktionsserie alle Produkte dieser Gruppe oder Serie als fehlerhaft eingestuft werden, ohne dass ein Fehler des betreffenden Produkts nachgewiesen zu werden braucht.

Operationen, die zum Austausch solcher Geräte durchgeführt würden, erfüllten zudem auch den Tatbestand der Körperverletzung, da dieser Begriff im Hinblick auf die von der Richtlinie verfolgten Ziele des Schutzes der Sicherheit und Gesundheit der Verbraucher weit auszulegen sei. Entsprechend umfasse Schadensersatz alles, was erforderlich sei, um die Schadensfolgen zu beseitigen und das Sicherheitsniveau wiederherzustellen, das man zu erwarten berechtigt ist, einschließlich der Kosten im Zusammenhang mit dem Austausch des fehlerhaften Produkts einschließen.

EuGH 05.03.2015 – C-503/13

Der BGH hat wie folgt entschieden:

Der BGH ging in der Konsequenz von einem fehlerhaften Produkt aus, verwies die Sache jedoch gleichwohl zurück, weil bislang keine ausreichenden Feststellungen getroffen worden seien, ob die Empfehlung des Herstellers, „die Programmierung der ‚Magnetfunktion aktivieren‘ auf ‚AUS (OFF)‘ vorzunehmen“, dazu führe, dass die Magnetfunktion keinen therapeutischen Nutzen mehr habe, und ob eine solche Deaktivierung bereits geeignet sei, den Fehler zu beseitigen, oder ob dafür ein Austausch des Produkts erforderlich sei.

BGH 09.06.2015 – VI ZR 327/12

Fundstelle: ARBER-Info November/Dezember 2015

BSG bejaht Patientenanspruch auf Akteneinsicht

BSG bejaht den Anspruch des Patienten auf Akteneinsicht, aber nicht auf neues Gutachten

Der bei der beklagten AOK versicherte Kläger ließ sich durch das Zahnzentrum Ulm, dessen Rechtsträgerin die Beklagte ist, zahnärztlich behandeln. Aufgrund behaupteter Behandlungsfehler holte die Beklagte ein Gutachten des MDK ein, während sie dem Kläger Einsicht in seine Patientenakte beim Zahnzentrum verweigerte. Mit seiner Klage auf Einsichtnahme sowie Einholung eines weiteren Gutachtens hatte der Patient vor SG und LSG keinen Erfolg. Die Beklagte sei für den Anspruch auf Einsichtnahme nicht passiv legitimiert; sie habe nicht durch Verwaltungsakt über die geforderte Unterstützung entschieden. Dass der Kläger mit dem Ergebnis des MDK-Gutachtens nicht einverstanden sei, verpflichte die Beklagte nicht, ein weiteres Gutachten einzuholen.

Das BSG hielt einen offenbar unerfüllten Einsichtnahmeanspruch des Patienten nach § 630g BGB gegen die AOK für gegeben. Soweit er die Einholung eines weiteren zahnärztlichen Gutachtens durch die Beklagte begehrte, wies der Senat die Revision allerdings zurück. Seine hierauf gerichtete Klage sei mangels vorangegangenen Verwaltungsverfahrens unzulässig.

Bundessozialgericht, Urteil vom 08.09.2015 – B 1 KA 36/14 R

Fundstelle: newsletter 2015-10 der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins

Ein Anästhesie-Pfleger ist wegen eigenmächtiger Einleitung einer Narkose kündbar

Die eigenmächtige Einleitung einer Narkose in Abwesenheit eines Facharztes für Anästhesie stellt für sich genommen einen Grund für die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Anästhesie-Pflegers dar.

Bei einer bewussten und damit vorsätzlichen Missachtung der Anweisung bzw. der gesicherten Handhabung, eine Einleitung der Narkose nur in Anwesenheit eines Facharztes vorzunehmen, handelt es sich um eine Vertragspflichtverletzung, die „an sich“ geeignet sein kann, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

Jedoch kann eine Abwägung zu Gunsten des Arbeitnehmers die Erforderlichkeit einer vorherigen Abmahnung ergeben. Im entschiedenen Fall wäre eine solche angesichts des beanstandungsfreien Verhaltens während des 24-jährigen Beschäftigungsverhältnisses erforderlich gewesen, befand das Gericht.

Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 09.06.2015 zum Aktenzeichen 7 TaBV 29/15

Fundstelle: jurion-online